Wenn man über Alltagsbegleitung spricht, denkt man oft an persönliche Nähe, an kleine Gesten der Unterstützung und an Menschen, die anderen den Alltag erleichtern. Doch hinter dieser Arbeit steht ein rechtlicher Rahmen, der die Grundlage für Anerkennung, Finanzierung und Qualitätssicherung bildet: die Verordnung über die Anerkennung von Angeboten zur Unterstützung im Alltag und Förderung der Weiterentwicklung der Versorgungsstruktur in Nordrhein-Westfalen (Anerkennungs- und Förderungsverordnung – AnFöVO). Sie ist mehr als ein bürokratisches Konstrukt – sie ist ein Baustein für Selbstbestimmung, Entlastung und Teilhabe. Und sie ist die Grundlage für unsere Arbeit als AlltagsbegleiterInnen und das Gerüst für unsere Selbständigkeit.
1. Eine Verordnung mit Mission
Schon ihr Name macht deutlich: Es geht nicht nur um Regeln, sondern um Anerkennung und Förderung. Die AnFöVO verankert die Angebote zur Unterstützung im Alltag, die aus § 45a SGB XI abgeleitet sind, in das Landesrecht von Nordrhein-Westfalen. Sie sorgt dafür, dass Menschen, die Hilfestellung im Alltag benötigen, diese Unterstützung über den sogenannten Entlastungsbetrag oder Teile der Pflegesachleistung finanzieren können. Gleichzeitig verpflichtet sie Anbieterinnen und Anbieter zu bestimmten Standards – für mehr Qualität und Verlässlichkeit.
Die Verordnung ist damit ein wichtiges Bindeglied zwischen den Pflegekassen, den pflegebedürftigen Menschen und den Alltagsbegleiter:innen. Ohne sie gäbe es keine klare Grundlage für die Anerkennung der Angebote, keine verbindlichen Qualitätsvorgaben und auch keine geregelte Möglichkeit, die erbrachten Leistungen abzurechnen.
2. Ursprung & Erlass – Von der Idee zum Gesetz
Ihre Wurzeln hat die AnFöVO im Jahr 2017, als das Land NRW erstmals eine entsprechende Regelung einführte. Ziel war es, die Unterstützung im Alltag klar zu strukturieren und gleichzeitig neue Angebote zu schaffen. Schon zwei Jahre später, 2019, trat eine überarbeitete Fassung in Kraft, die Erfahrungen aus der Praxis aufgriff und Regelungslücken schloss.
Die Corona-Pandemie ab 2020 wirkte wie ein Brennglas: Plötzlich wurde sichtbar, wie wichtig flexible und unbürokratische Unterstützung ist. Daher wurden befristete Ausnahmeregelungen eingeführt – Qualifikationsnachweise konnten nachgereicht werden, Anerkennungen erfolgten vereinfacht. Mit Ablauf des Jahres 2023 kehrte NRW jedoch wieder zum regulären Verfahren zurück. Heute gilt wieder der vollständige Anerkennungsprozess mit allen formalen Anforderungen.
3. Mehr als Paragrafen – Die Bedeutung für den Alltag
Die AnFöVO ist kein Selbstzweck. Sie soll den Alltag von Pflegebedürftigen und Angehörigen erleichtern. Die Angebote, die durch sie anerkannt werden, reichen von stundenweiser Begleitung über Gruppenangebote bis hin zu ganztägigen Betreuungen. Für pflegende Angehörige bedeutet sie: Es gibt endlich einen klaren Rahmen, um Unterstützung in Anspruch zu nehmen und dafür auch eine finanzielle Grundlage zu haben.
4. Ziele der AnFöVO – Mehr Teilhabe, weniger Belastung
Im Kern verfolgt die Verordnung drei große Ziele: Sie soll niedrigschwellige und zugleich qualitativ gesicherte Hilfsangebote schaffen, pflegebedürftigen Menschen mehr Selbstbestimmung ermöglichen und pflegende Angehörige entlasten. Sie erkennt an, dass Pflege mehr ist als körperliche Versorgung – sie ist auch Beziehung, Begleitung und Unterstützung im Alltag.
Die Verordnung legt dabei großen Wert auf Qualitätssicherung. Anbieter müssen ein Leistungskonzept vorlegen, ihre Qualifikation nachweisen und Strukturen schaffen, die Verlässlichkeit garantieren. Alltagsbegleitung wird damit zu einem anerkannten Berufsfeld, das nicht nur von Engagement, sondern auch von Professionalität geprägt ist.
Zusammengefasst:
- Förderung niedrigschwelliger, qualitätsgesicherter Hilfsangebote
- Stärkung der Selbstbestimmung pflegebedürftiger Menschen
- Entlastung pflegender Angehöriger
- Verbindliche Qualitätsstandards für Anbieter
5. Wer darf Angebote machen? – Die Akteure
Die AnFöVO öffnet bewusst die Tür für verschiedene Anbieterformen. Neben gemeinnützigen Einrichtungen und anerkannten Pflegediensten können auch gewerbliche Anbieter tätig werden. Besonders interessant: Auch Einzelkräfte, etwa Alltagsbegleiter:innen im Minijob, können eine Anerkennung erhalten.
Ein weiteres wichtiges Element ist die Nachbarschaftshilfe. Sie soll bürgerschaftliches Engagement fördern, unterliegt aber klaren Regeln: So dürfen nur Personen tätig werden, die eine Pflegekurs-Qualifikation nachweisen können und nicht zu eng mit der pflegebedürftigen Person verwandt sind. Die Vielfalt an Anbietern macht die Unterstützungsangebote flexibel und individuell anpassbar.
Zusammengefasst:
- Anerkannt werden können gemeinnützige, gewerbliche und private Anbieter
- Einzelkräfte können tätig werden
- Nachbarschaftshilfe ist erlaubt, aber streng geregelt
6. Anerkennung und Qualität – Das Verfahren
Zuständig für die Anerkennung sind die Kreise und kreisfreien Städte. Der Antrag wird meist online gestellt. Zwingend erforderlich ist ein Leistungskonzept, das Ziele, Umfang, Organisation, Vertretung und Beschwerdemanagement beschreibt. Außerdem müssen Versicherungsnachweise und Qualifikationen eingereicht werden.
Interessant ist, dass die Qualifikation nicht zwingend schon vor Tätigkeitsbeginn vorliegen muss. Sie kann innerhalb von drei Monaten nachgereicht werden. Dennoch bleibt klar: Wer anerkannt sein will, muss Standards erfüllen – das schafft Vertrauen bei Pflegebedürftigen und Angehörigen.
Zusammengefasst:
- Anerkennung erfolgt über die Kommunen
- Antrag mit Konzept, Versicherungs- und Qualifikationsnachweisen
- Qualifikation kann nachgereicht werden
7. Preise und Höchstbeträge – Einheitliche Orientierung
Ein weiterer Bestandteil der AnFöVO sind die festgelegten Höchstbeträge. Sie sollen dafür sorgen, dass Angebote bezahlbar bleiben und der Entlastungsbetrag sinnvoll genutzt werden kann. Für Einzelstunden, Gruppenangebote oder ganztägige Betreuungen gelten unterschiedliche Höchstpreise. Diese Regelungen dienen als Orientierung, verhindern überhöhte Preise und schaffen Transparenz für Pflegebedürftige.
Zusammengefasst:
- Festgelegte Höchstbeträge für verschiedene Angebotsarten
- Ziel: bezahlbare und transparente Strukturen
- Die Beträge sind Obergrenzen, keine verpflichtenden Preise
8. Ein Blick zurück – Die Entstehungsgeschichte
Die Geschichte der AnFöVO ist eng mit der Entwicklung der Pflegeversicherung verbunden. Seit ihrer Einführung 1995 gibt es im SGB XI einen Rahmen für Unterstützungsangebote im Alltag. Doch erst mit der Zeit wuchs das Bewusstsein, dass Pflegebedürftige mehr brauchen als körperliche Versorgung.
2017 führte NRW erstmals eine Verordnung ein, die diesen Bereich regelte. 2019 folgte eine überarbeitete Fassung, die sich stärker an der Praxis orientierte. Die Pandemie brachte 2020 befristete Ausnahmen – doch seit 2023 gilt wieder der reguläre Anerkennungsweg.
Zusammengefasst:
- Ursprung in der Pflegeversicherung 1995
- 2017 erste Fassung, 2019 überarbeitet
- 2020/21 pandemiebedingte Ausnahmeregelungen
- Seit 2023 wieder reguläres Verfahren
9. Bedeutung für die Zukunft – Warum die AnFöVO wichtig bleibt
Für Alltagsbegleiter:innen ist die AnFöVO mehr als eine Formalie. Sie schafft einen verlässlichen Rahmen, in dem ihre Arbeit anerkannt und finanziert wird. Gleichzeitig stärkt sie das Berufsbild und gibt Orientierung für Qualität und Professionalität. Für einen künftigen Verband von Alltagsbegleiter:innen in NRW bietet sie eine Grundlage, um Interessen zu bündeln, Fortbildungsstandards zu entwickeln und politisch mitzuwirken.
Die Verordnung ist ein Beispiel dafür, wie Gesetze nicht nur abstrakte Regeln sein müssen, sondern Strukturen schaffen können, die das Leben vieler Menschen konkret verbessern. Sie macht Alltagsbegleitung sichtbarer, verbindlicher und professioneller – und gibt ihr damit das Gewicht, das sie verdient.