Wer den Beruf der Alltagsbegleitung ergreifen will, nähert sich zunächst einer schönen Idee: Menschen unterstützen, deren Alltag ausgedünnt ist, Gesellschaft spenden, Beistand leisten. Doch hinter dem Ideal verbirgt sich kein überquellender Markt, sondern ein anspruchsvolles Terrain. Viele Gründerinnen werden von der Vorstellung geleitet, es gäbe „endlos viele“ Klient:innen – doch die Realität verlangt genaue Planung, Vernetzung und rechtliche Klärung.
1. Die Qualifikation – gut fürs Gewissen, Pflicht zur Anerkennung
Vielleicht hast du schon erste Erfahrungen in der Betreuung von älteren Menschen gesammelt – und nun überlegst du, daraus einen Beruf zu machen. Es klingt zunächst so einfach: ein Herz für Menschen haben, zuhören können, eine helfende Hand reichen. Doch in NRW ist eine formale Qualifikation zwingend, wenn du mit der Pflegekasse abrechnen möchtest. Diese Basisqualifizierung umfasst mindestens 40 Zeitstunden gemäß § 45a SGB XI bzw. AnFöVO NRW. Dort lernst du nicht nur, wie man den Alltag von Menschen mit Demenz gestaltet oder sie bei kleinen Handgriffen unterstützt, sondern auch, wie man mit Angehörigen spricht, Grenzen setzt und die eigene Rolle klar definiert. Es geht also nicht nur um ein Zertifikat – sondern um Haltung und Professionalität. Denn so schön es ist, gebraucht zu werden, so wichtig ist es, dabei die eigene Person nicht aus den Augen zu verlieren.
- Qualifikation (40 Std.)
2. Anerkennung des Angebots – der große bürokratische Schritt
Der zweite Schritt ist oft der mühsamste: die Anerkennung durch die Kommune. Sie ist notwendig, damit deine Leistungen von der Pflegekasse erstattet werden können. Das klingt nach viel Papierkram – und ist es auch. Du musst über das Portal PfAD.uia NRW einen Antrag stellen, in dem du deine Qualifikationen, Versicherungen und ein Konzept einreichst. Auch ein aktuelles polizeiliches Führungszeugnis gehört dazu. Ich erinnere mich noch gut daran, wie verloren ich mich bei meinem ersten Antrag gefühlt habe – aber glaube mir, mit Geduld und Unterstützung (etwa durch die Regionalbüros Alter, Pflege & Demenz) kommt man Schritt für Schritt ans Ziel. Die Vergütung ist übrigens gedeckelt: mehr als etwa 38 Euro pro Stunde darfst du nicht berechnen. Das macht klar: Reich wird man hier nicht, aber die Arbeit ist unbezahlbar wertvoll.
- Anerkennung durch Kommune, PfAD.uia NRW
- Konzept, Führungszeugnis, Versicherungsnachweise
3. Gewerbe, IHK, Steuerberater – woran denken?
Spätestens jetzt kommst du an den Punkt, an dem die Selbstständigkeit auch offiziell wird. In den meisten Fällen gilt deine Tätigkeit als gewerblich, besonders wenn du neben der Betreuung auch kleine hauswirtschaftliche Aufgaben übernimmst. Du meldest also ein Gewerbe an, wirst Mitglied der IHK und erhältst Post vom Finanzamt. Hier lohnt es sich, frühzeitig eine Steuerberaterin hinzuzuziehen. Sie kann dir helfen, zu entscheiden, ob die Kleinunternehmerregelung für dich passt oder ob du besser Umsatzsteuer ausweist. Für mich war das anfangs ein Buch mit sieben Siegeln – aber nachdem ich meine Zahlen endlich verstand, fühlte ich mich freier und sicherer in meiner Arbeit.
- Gewerbeanmeldung
- Eintrag bei IHK
- Steuerberater und Businessplan
4. Versicherungen & Berufsgenossenschaft
Du wirst schnell merken: Ohne die richtigen Versicherungen geht es nicht. Eine Betriebshaftpflicht ist unverzichtbar, falls einmal etwas passiert – und das kann schon ein zerbrochenes Erbstück oder ein Sturz bei einem gemeinsamen Spaziergang sein. Auch eine Unfallversicherung solltest du haben. Wenn du später Angestellte einstellst, musst du dich zudem bei der Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst & Wohlfahrtspflege melden. Ich weiß noch, wie nervig mir diese Themen anfangs erschienen – bis ich bei einer Kollegin miterlebt habe, wie teuer ein kleiner Fehler werden kann. Danach war mir klar: Versicherungen sind kein Luxus, sondern Schutz für alle Beteiligten.
- Betriebshaftpflicht und Unfallversicherung
- Anmeldung bei Berufsgenossenschaft
5. Zusammenarbeit & Netzwerk – Einstiegsnoten der Praxis
Allein zu arbeiten, klingt erst einmal unkompliziert, doch gerade in dieser Branche brauchst du ein gutes Netzwerk. Pflegeberaterinnen, Pflegedienste und Kommunen sind wichtige Partnerinnen. Ich habe früh begonnen, mich in meiner Stadt bekannt zu machen – und das war das Beste, was ich tun konnte. Oft rufen mich heute Angehörige an, weil sie meinen Namen von einem Pflegestützpunkt oder einer Beratungsstelle gehört haben. Ohne dieses Netzwerk hätte ich niemals genügend Aufträge. Nutze auch Vermittlungsportale wie pflegix.de oder betreut.de, aber setze vor allem auf persönliche Kontakte.
- Kooperationen mit Pflegediensten und Pflegestützpunkten
- Präsenz in der Kommune und in Online-Portalen
6. Verträge, Abrechnung & Muster
Ein schriftlicher Betreuungsvertrag ist unverzichtbar. Anfangs dachte ich, dass ein Handschlag reicht – doch damit macht man sich angreifbar. Ein Vertrag schützt nicht nur dich, sondern auch die Klient:innen und ihre Familien. Er legt klar fest, was du tust, wie lange und zu welchem Preis. Für mich war es beruhigend, irgendwann ein rechtssicheres Muster zu haben, das ich je nach Fall anpassen konnte. Die IHK bietet hier gute Vorlagen, aber ich empfehle immer, sie von einer Fachperson prüfen zu lassen.
- Vertragsgestaltung, Leistungsbeschreibung
- Zahlungsmodalitäten, Haftungsfragen
7. Steuern, Buchführung & Beratung
Auch wenn es trocken klingt: Wer selbstständig ist, muss seine Finanzen im Griff haben. Ich habe früh gelernt, Rücklagen zu bilden und jede Einnahme und Ausgabe sauber zu dokumentieren. Mit einem Steuerberater an der Seite wird vieles leichter. Er kann dir helfen, die richtige Rechtsform zu wählen – ob Einzelunternehmen oder GmbH –, und er sorgt dafür, dass du keine unangenehmen Überraschungen vom Finanzamt bekommst. Das gibt dir Freiheit: Du kannst dich auf deine Klient:innen konzentrieren, ohne nachts über Quittungen zu brüten.
- Steuerliche Anmeldung, Einnahmen-Überschuss-Rechnung
- Beratung zur Rechtsform und Steuerpflicht
8. Risiken und Realität des Marktes
Zu guter Letzt möchte ich dir ehrlich sagen: Dieser Beruf ist erfüllend, aber er ist kein Selbstläufer. Die Nachfrage ist da, ja – aber die Budgets sind begrenzt. Viele Familien nutzen die Entlastungsleistungen nur stundenweise. Dazu kommt, dass du ständig neue Klient:innen finden musst, um nicht in eine finanzielle Lücke zu geraten. Ich kenne Kolleginnen, die nach einem halben Jahr erschöpft aufgegeben haben, weil sie die Bürokratie und die Unsicherheiten unterschätzt hatten. Deswegen mein Rat: Plane realistisch, suche dir Unterstützung und geh diesen Weg Schritt für Schritt. Es ist kein leichter Aufstieg, aber wenn du ihn gehst, wirst du reich belohnt – nicht finanziell, aber menschlich.
Wenn du diese Punkte beherzigst, bist du gut gerüstet für deine Selbstständigkeit als Alltagsbegleiterin. Und wenn du dir einmal unsicher bist: Such dir Rat, vernetze dich, lass dich beraten. Niemand muss diesen Weg allein gehen.